Aktives Zuhören
Einführung
Diese Woche möchte ich mit dir über das Thema “aktives Zuhören” sprechen. Mir war der Begriff schon irgendwie lange geläufig - so richtig verstanden hab ich ihn aber erst in meiner Coaching Weiterbildung. Früher dachte ich immer, es ginge dabei nur darum, mich nicht von meiner Umgebung oder anderen Gedanken ablenken zu lassen. Tatsächlich ist es eine Menge mehr und gar nicht so leicht.
Grundlegendes
Ziel des aktiven Zuhörens ist, das Gegenüber in den Mittelpunkt zu stellen und in allen Facetten zu hören. Dabei wird nicht nur auf das Gesagte geachtet, sondern auch auf all die nonverbalen Signale, die mitschwingen (Mimik, Gestik, Lautstärke, etc.) und auch was zwischen den Zeilen steht.
Um das zu erreichen, musst du einerseits deine Aufmerksamkeit voll auf dein Gegenüber richten und von Bewertungen absehen. Damit meine ich, nicht mit einer gesetzten Meinung oder Interpretation ins Gespräch zu gehen. (“Die Person ist laut? - Sie muss also wütend sein!”; “Die Person regt sich über einen Kollegen auf? - Der muss sicher etwas falsch gemacht haben!”). Wenn du mit Meinungen und Bewertungen in den Prozess einsteigst, wirst du alles nur noch durch diesen Filter sehen.
Die Methode des aktiven Zuhörens geht zunächst mit drei Grundhaltungen einher. Diese Ebene sozusagen den Weg, damit du das Gegenüber wirklich hören kannst. Diese sind:
empathische und offene Grundhaltung
authentisches und kongruentes Auftreten
Akzeptanz und positive Aufmerksamkeit
Was sich dahinter jeweils verbirgt, erfährst du im Folgenden:
empathische und offene Grundhaltung
Ein wichtiger Bestandteil ist es, dem Gegenüber offen und auf Augenhöhe zu begegnen. Du solltest also weder die Perspektive “Du wüsstest mehr wärst kompetenter/bist überlegen” noch die entgegengesetzte “Mein Gegenüber weiß mehr/ ist kompetenter/ ist mir überlegen” einnehmen. Vielmehr bist du und dein Gegenüber gleichwertig.
authentisches und kongruentes Auftreten
Du hast das vielleicht schon mal erlebt: Du unterhältst dich mit einer Person, die freundlich oder interessiert wirkt, aber eigentlich ist sie ganz anders drauf. Vielleicht will die Person dir etwas verkaufen oder Ihr seid Kollegen, die professionell miteinander arbeiten müssen, Ihr euch privat aber überhaupt nicht versteht. Fühlst du dich in so einer Situation dazu ermutigt, offen zu kommunizieren und deine Gedanken und Gefühle zu teilen? Vermutlich nicht.
Um diese vertrauensvolle Basis zu schaffen, solltest du also so authentisch wie möglich und nicht gekünzelt auftreten. Du bist dabei noch glaubwürdiger, wenn das, was du sagst, auch mit dem, was du tust, übereinstimmt (kongruent ist). Deine vermeintlich authentischen Worte verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn du etwas Gegenteiliges tust (zum Beispiel sagst du “Ich ernähre mich vegan” während du dein Steak isst).
Akzeptanz und positive Aufmerksamkeit
Und als dritte Grundhaltung, gibst du deinem Gegenüber sichtbar und spürbar deine Aufmerksamkeit. Das bedeutet, du gibst ihm Signale wie Augenkontakt, Kopfnicken oder kurze Äußerungen des Verstehens. Dein Gegenüber kann also an deinem Verhalten erkennen, dass du im Dialog voll anwesend bist.
Außerdem akzeptierst du das Gesagte zunächst, ohne es zu bewerten. Vielleicht berichtet dein Gegenüber von einer Situation oder teilt Werte, die nicht mit deinen übereinstimmen. Ein natürlicher Impuls ist hier zu widersprechen und deine eigenen Werte in den Vordergrund zu stellen. Diesen Impuls solltest du während des aktiven Zuhörens unterdrücken und das Gesagte so hinnehmen.
Anwendung
Wenn du diese drei Grundhaltungen in deine Kommunikation integriert hast, bist du schon einen großen Schritt weiter ein Umfeld zu erschaffen, in dem wertvollere Kommunikation möglich ist. Im Folgenden gebe ich dir jetzt noch ein paar Ansätze an die Hand, wie du deinem Gegenüber das Gefühl schenken kannst, wirklich gehört zu werden.
Paraphrasieren
Du kannst das Gesagte deines Gegenübers paraphrasieren, also mit eigenen Worten zusammenfassen, und ihm so zeigen, was bei dir angekommen ist. Entweder hast du ihn korrekt verstanden, dann hast du ihm gerade gezeigt, dass du erfasst hast, was er sagen wollte oder du hast ein Missverständnis aufgedeckt und Ihr habt gleich die Möglichkeit, daran zu arbeiten.
Gefühle verbalisieren
Das, was dein Gegenüber sagt, ist möglicherweise sehr mit Gefühlen aufgeladen. Das kann sich in Sprechtempo und -Lautstärke zeigen, in der Mimik und Gestik oder in der konkreten Wortwahl. Wenn du diesen Gefühlen Raum gibst und sie benennst, zeigst du deinem Gegenüber Verständnis für die Situation. Du könntest zum Beispiel etwas sagen wie: “Ich merke, dass das, was du beschreibst, viel mit dir macht…” oder konkreter: "Auf mich wirkst du gerade sehr wütend/glücklich/aufgeregt …” oder explorativer: “Ich nehme wahr, dass in dir Gefühle ausgelöst werden. Möchtest du darüber reden?”
Du schenkst deinem Gegenüber hier die Möglichkeit nicht nur auf der rein informatorischen , sondern auch auf der emotionalen Ebene gehört zu werden. Damit wird auch die Tür geöffnet, eine neue Ebene des Dialogs zu öffnen, die vielleicht vorher untergegangen wäre.
Nachfragen
Ergänzend zu der vorher erwähnten Paraphrase, kannst du natürlich auch konkret nachfragen, wenn du etwas nicht verstanden hast. Vielleicht hat dein Gegenüber etwas erzählt, für das dir Kontext oder Wissen fehlt oder die Zusammenhänge nicht klar sind. Das ist überhaupt kein Problem und kann leicht aufgeklärt werden.
Frage nach und zeige deinem Gegenüber, dass du aktiv über das Gesagte nachdenkst und es dir wichtig ist, sein Problem zu verstehen.
Wirkung des aktiven Zuhörens
Du hast die Grundhaltung verinnerlicht, hast paraphrasiert, nachgefragt und Gefühle verbalisiert … und jetzt?
Jetzt hast du eine Basis des Vertrauens mit deinem Gegenüber geschaffen, wo du sowohl das Gesagte als auch die nicht Gesagte besser erfassen kannst. Du nimmst dein Gegenüber und dessen Themen ernst und kannst tiefer darauf eingehen. Was du ab
tieferes Verständnis
Du verstehst dein Gegenüber jetzt besser. Dir ist klarer, was gesagt wurde und du hast auch ein Gespür, was nicht gesagt wurde. Du hast vielleicht einen neuen Einblick in die Perspektive deines Gegenübers und verstehst, warum sie so reagiert hat, wie sie reagiert hat.mehr Mitgefühl
Du hast die Gefühle deines Gegenübers wahrgenommen und vielleicht sogar gemeinsam ergründet. Du übst und zeigst deine Empathiefähigkeit. Möglicherweise habt Ihr so eine Dialogebene erreicht, die vorher nicht denkbar war.minimiertes Konfliktrisiko
Nicht selten entstehen Konflikte durch Missverständnisse. “Hat mein Gegenüber mich gerade beleidigt?”; “Hat er nicht wirklich gesagt oder?!”; “Das kann er doch nicht ernst meinen” … Was man im Impuls sagt, kann unüberlegt und verletzend sein. Öffnet man jedoch den Raum dafür, das Gegenüber wirklich zu verstehen und die Sichtweise nachzuvollziehen, wird klar, was wirklich gemeint war. So kann man den einen oder anderen Konflikt schon im Keim ersticken.gesteigertes Vertrauen
Du hast deinem Gegenüber signalisiert, dass du ihn verstehst. Du hast ihn nicht bewertet. Du hast seine Gefühle verstanden. Damit baust du Stück für Stück eine vertrauensvollere Beziehung auf, die zukünftige Dialoge wiederum vereinfacht.
Was bringt mir das aktive Zuhören
Ich habe es Eingangs erwähnt - ich bin über diese Methode in meiner Weiterbildung gestoßen. Wir haben das aktive Zuhören Woche um Woche geübt und mit jedem Versuch hat sich mein Verständnis für mein Gegenüber vertieft. In all den Methoden, die wir gelernt haben, würde ich sogar so weit gehen zu sagen, das sei die wichtigste.
Ich neige dazu, meine Gedanken sehr intensiv zu erklären, also von Grundlagen über Entscheidung zu Konsequenzen. Ich möchte möglichst nachvollziehbar sein. Das hat aber auch zur Folge, dass ich manchmal lange monologisiere und unter Umständen mein Gegenüber das Gefühl bekommt, ich würde annehmen, sie würde mich nicht verstehen (#mansplaining). In einem Gespräch, in dem es eigentlich um mein Gegenüber geht, kann ich damit zu viel Raum einnehmen. Damit werde dann eher ich gehört, als die Person, um die es eigentlich geht.
Die Dynamik ändert sich komplett, wenn man mit dem aktiven Zuhören einfach mal still ist und sich voll auf den Anderen konzentriert. Die besten und tiefgreifendsten Gespräche hatte ich, wenn ich nichts gesagt habe und einfach nur den Raum gehalten habe für mein Gegenüber.
Bei all den Vorteilen, über die ich jetzt gesprochen habe, möchte ich aber auch zu bedenken geben, dass sich nicht jedes Gespräch dafür anbietet. Mit dem aktiven Zuhören kann man sehr schnell in tiefe Themen eintauchen. Wenn man aber nur locker mit Freunden oder Familien Zeit verbringt oder Small-Talk betreibt, ist die Methode vielleicht unangebracht. Dein Gegenüber muss natürlich auch wollen, dass ein Gespräch in eine solche Dynamik wechselt. Sei dir dessen bitte bewusst.
Ich hoffe du konntest wieder einen Impuls für dich mitnehmen. Vielleicht fängst du damit an, eine Grundhaltung zu verinnerlichen oder du übst deinen Gesprächspartner zu paraphrasieren.
In jedem Fall danke ich dir wieder für deine Aufmerksamkeit
Bleib Gesund!